Wie können Männer anfangen, sich feministisch zu engagieren?
-bei sich selbst anfangen & andere Männer auffordern, mitzumachen
-achtsam für den Raum sein, den sie einnehmen
-sich bewusst zurücknehmen und andere Männer auch dazu auffordern
-lernen andere Männer zu kritisieren und selbst Kritik anzunehmen
-intervenieren, wenn in ihrer Gegenwart Diskriminierung und/oder Gewalt passiert
-auch (!) wenn die ausübende Person(en) „feministische“ Männer sind
-sich mit den Erfahrungen von Menschen, denen genderbasierte Unterdrückung/Diskriminierung widerfährt, auseinandersetzen
-wenn Gewalt in politischen Zusammenhängen, in denen sie sich bewegen, passiert: sich zu der Gewalt eindeutig positionieren und andere Männer accountable halten
-Männlichkeit bzw. Männlichkeitsanforderungen zum Problem machen
-Intersektionalität mitdenken (!!!)
Kritik am Begriff „toxische Männlichkeit“
Der Begriff „toxische Männlichkeit“ leistet keine Kritik an Männlichkeit an sich, sondern spaltet oberflächlich in gute und schlechte Anteile eines männlichen Habitus. Dadurch fällt der Zusammenhang zwischen den Anteilen und die Kritik am Patriarchat unter den Tisch. Männliche Leistungsnormen wie Konkurrenz und Hierarchie-Bestreben und der Mythos des „verantwortungsvollen Versorgers“ können so bestehen bleiben – auch wenn mann sich der „toxischen Eigenschaften“ entledigt. Beispiel: auch ein netter Chef ist immer noch ein Chef. Und bei einem netten Chef lassen sich Unzufriedenheit und Unterdrückungserfahrungen auch nicht unbedingt leichter ansprechen.
Männern aufzuzeigen, worunter sie im Patriarchat leiden, kann eine sinnvolle Taktik sein, um sie für Feminismus zu begeistern. Hilft aber nix, wenn das Grundbedürfnis der männlichen Selbstkonstitution unverändert bleibt: der bessere/beste Mann zu sein. Das wird auch in Aussagen wie „Real men are feminists“ oder „How to be a better man“ reproduziert.
Deshalb: es braucht eine radikale Kritik an Männlichkeit und die Abschaffung der Herrschaftskategorie Geschlecht. Gewaltvolles Verhalten von Männern kann mit dem Scheitern an Männlichkeitsanforderungen erklärt werden. Aber wenn dann daraus gefolgert wird, dass es ein anderes „besseres“ Männerbild braucht, kann dabei rauskommen, dass Männlichkeit (wieder) gestärkt werden muss und dass männliche Gewalt falsch, aber als berechtigter Hilferuf zu verstehen sei. Das eigentliche Problem sind aber die Männlichkeitsideale im kapitalistischen Patriarchat. Die darin eingebetteten Mechanismen der Konkurrenz um hegemoniale Männlichkeit bleiben intakt, wenn als Folge der Kritik an toxischer Männlichkeit nur eine weitere Männlichkeitsvariante dazukommt.
Quelle: Kim Posster: „Entgiftungskur für’s Patriarchat. Warum der Begriff “toxische Männlichkeit” zu kurz greift.“ (Konkret, 11/18)
Was Männer, die sich feministisch engagieren (wollen), falsch machen
Feministische Politik aus männlicher Perspektive kann identitär und männlichkeitsstabilisierend wirken. Männer, die sich feministisch engagieren wollen, interessieren sich meist mehr für die Frage, wie sie noch Männer sein können, obwohl es feministische Kritik an Männlichkeit gibt und weniger dafür, wie sie an feministischen Bewegungen teilhaben können.
In dem Zusammenhang kann das Label „kritische Männlichkeit“ auch männlichkeitsstabilisierend wirken. Üblicherweise wird der Begriff „kritische Männlichkeit“ verwendet, um Männer dazu zu ermuntern, sich mit ihrer Männlichkeit auseinander zu setzen. Der Begriff leistet aber keine Kritik an Männlichkeitsdynamiken an sich. In kritischen Männlichkeits-Zusammenhängen kommt schnell die Dynamik auf, dass Männer um sich selbst kreisen und versuchen, eine alternativ-männliche Identität zu kreieren (mit dem Ziel der Pluralisierung/Vervielfältigung).
Zudem kann die individualistische Beschäftigung mit „ich und meine Männlichkeit“ schnell in neoliberale Selbstverwirklichungsbemühungen abdriften. Es geht nicht darum, dass jeder seine eigene Form von Männlichkeit entwickeln soll. Die Suche nach der „guten“ privilegierten Position ist ein Trugschluss. Hier entstehen häufig neue Ideale, Anforderungen und Konkurrenz, typische Männlichkeitsdynamiken: wessen alternative Männlichkeit ist die bessere, wer ist besser darin, die eigenen Privilegien kritisch zu reflektieren. Dabei ist das Ziel wieder, Männlichkeit positiv zu besetzen.
Stattdessen wäre es sinnvoller, die eigene Gewordenheit und Erlangung einer männlichen Identität durch (Selbst)Sozialisation als Mann in die politische Auseinandersetzung miteinzubeziehen und zu männlicher Vergeschlechtlichung zu arbeiten. Weil die Auseinandersetzung mit tief verinnerlichten Verhaltensweisen anstrengend ist, wenig Anerkennung bringt und Männer in Kontakt bringt mit eigenen Abwehrmechanismen und denen von anderen Männern, wird sie nicht selten abgebrochen.
Was eine verbesserte feministische Praxis von Männern braucht
Wenn zu „kritischer Männlichkeit“ gearbeitet wird, sollten Theorien, wie z.B. zu Männlichkeitsanforderungen, nicht nur als biografisches Deutungsmuster genutzt werden, sondern auch von den eigenen Erfahrungen abstrahiert und eine Gesellschaftskritik daraus formuliert werden. Die Frage, wie Männer an feministischen Bewegungen teilhaben und diese vorantreiben können, sollte im Vordergrund stehen – nicht wie man trotz feministischer Kritik noch Mann sein kann oder Männern vorzurechnen, was ihnen Feminismus alles bringt oder möglichst ansprechende Angebote zu machen, um sich mal mit Männlichkeit zu beschäftigen. Feministischer Aktivismus hat nicht zum Ziel, männliche Identität zu erhalten oder zu stärken.
Es muss mehr passieren als moralische Lippenbekenntnisse zu den eigenen Privilegien, wie ein vorangestellter Satz: „als weißer, (heterosexueller) cis-Mann..“ zu machen, mit denen die notwendige kritische Auseinandersetzung abgehakt werden kann. Sie sind kein Ersatz dafür, sich als Mann genau anzuschauen, was diese privilegierten Positionen innerhalb der Herrschaftsverhältnisse für sich und seine konkrete Situation bedeuten.
Es muss sich konkret damit auseinandergesetzt werden, wie diese Herrschaftsverhältnisse eine Person körperlich, emotional, psychisch etc. durchdringen, wie sie in ihnen und durch sie handelt und sie reproduziert. Niemand sollte aus einer Selbsterfahrung und -reflexion rausgehen mit dem Gefühl, jetzt zu „den Guten“ zu gehören und sich ab jetzt immun gegenüber jeglicher Kritik zu fühlen. Es ist ein lebenslanger Prozess des Ver_lernens von verinnerlichten Normen und Herrschaftsstrukturen, der nicht durch eine einmalige Auseinandersetzung abgeschlossen ist.