von Lisa Haring und Jana Haskamp.
Zuerst erschienen im PRIDE-Magazin der Libertine (07/2020).
Feminität wird in all ihren Facetten und Ausdrucksformen in queeren und feministischen Kreisen gefeiert – das könnte man zumindest meinen. Die Realität sieht noch viel zu häufig anders aus, denn Femmes haben innerhalb der Communities nicht selten mit Ausgrenzung und Abwertung zu kämpfen. Obwohl es häufig Femmes sind, die andere supporten, werden ihnen selbst oft nur wenig Repräsentanz und Credits zugesprochen.
Auf Wikipedia wird „Community“ als eine Gruppe von Menschen mit Zusammengehörigkeitsgefühl definiert. Ob ich mich einem Kreis von Menschen zugehörig fühle, hängt auch davon ab, wie dieser auf mich als Individuum reagiert. Femmes* sind eine Subgruppe queerer Communities, wobei „Femme“ eine Geschlechtsidentität, einen Geschlechtsausdruck oder auch eine Performance beschreiben kann. Sie machen sich Praktiken zu eigen, die als feminin gelten. Hierzu gehört beispielsweise auch Sorgearbeit, also sich um andere Menschen zu kümmern, Beziehungen zu pflegen, sich zu stylen oder mit den eigenen Vorfahr*innen verbunden zu fühlen.
Viele Femmes erleben, dass sie von Mitgliedern queerer Communities aufgrund ihrer Identität oder Performance nicht als queer und/oder feministisch wahrgenommen werden. Sie machen die Erfahrung, dass sie sich hier erst dann willkommen fühlen, wenn sie gewisse Szenecodes erfüllen, maskuline Partner*innen vorweisen oder mit akademisiertem Wissen glänzen.
Der gesellschaftliche Mainstream westlicher Gesellschaften assoziiert Feminität im schlimmsten Fall mit Oberflächlichkeit, Dummheit, Manipulation und Inkompetenz, im besten Fall mit Normativität, Traditionalität oder Übersexualisierung. Feminität wird gesellschaftlich gesehen oftmals mit Schwäche gleichgesetzt und gilt als bedürftig und alles andere als cool. Diese Bewertungsmuster setzen sich auch in queeren Communities fort. Dazu kommt, dass in der Berliner Community Maskulinität und Androgynität glorifiziert werden. Auch szeneinterne Codes und Verhaltensnormen wie Unnahbarkeit, Härte, Unabhängigkeit oder Unverbindlichkeit orientieren sich daran. Feminine oder Femme-Performances kommen da nicht so gut weg.
QTBIPOC-, Trans*- oder gendernonkonforme Femmes mit einer erhöhten Sichtbarkeit machen zusätzlich die diskriminierende Erfahrung, dass, wenn sie Gewalt erleben, (weiße) Feminist*innen diese auf ihre Genderperformance zurückführen und sie dadurch dafür (mit-)verantwortlich machen. Weißer Feminismus setzt geschlechtsbasierte Gewalt meist mit männlicher Gewalt gleich, was die Gewalt, die BIPOC-Femmes durch weiße Frauen, Lesben und andere nicht-männliche Personen erfahren, unsichtbar macht.
Femmes können daher als die Nerds queerer Communities betrachtet werden. Niemand versteht so richtig, warum sie so unapologetically begeistert von etwas sind, was bekanntermaßen für uncool befunden wird, aber sie werden geduldet, denn sie halten den Laden auch am Laufen: Sie besprechen mit dir die Demo nach, gehen mit dir zur Ärztin, helfen dir bei einer Hausarbeit, unterstützen dich finanziell, backen mit dir einen Kuchen, organisieren eine Soli-Party, beginnen das schwierige Beziehungsgespräch oder geben dir emotionalen Support, wenn es in deiner WG mal wieder kriselt.
Weil die Skepsis gegenüber Femmes in Berlin besonders stark ist, fühlen sich viele Femmes hier allein und verloren. Sie merken, dass ihnen weniger häufig ein Vertrauensvorschuss entgegengebracht wird. Bei Szeneveranstaltungen spüren sie die musternden Blicke und Fragezeichen in den Gesichtern anderer Queers. Einige durchlaufen eine Phase, in der sie versuchen, ihre Femmeness zu unterdrücken und sich anzupassen, um dem aus dem Weg zu gehen.
Zwischen femmigen Praktiken und dem Verhalten, das im Patriarchat von Frauen erwartet wird, gibt es eine große Schnittmenge. Das führt unter (Queer-)Feminist*innen manchmal dazu, die Erfüllung dieser Anforderungen negativ zu bewerten. Nach dem Motto: Niemand fragt die maskuline queere Person, warum sie sich entschieden hat, Cargo-Shorts zu tragen, aber die Femme muss sich für ihre fashion choices rechtfertigen, denn mit dem Outfit bedient sie doch ganz klar den (cis-)male gaze – die hat Feminismus einfach nicht verstanden.
Wenn sogenannte Feminist*innen Femme-Praktiken abwerten, ist nichts daran feministisch. Femme-Feindlichkeit ist der unterschiedliche Standard, der an Queers mit femininer und Queers mit maskuliner Genderperformance angelegt wird. Sie basiert an ihrer Wurzel auf Sexismus, Misogynie und Queer-Feindlichkeit – je nachdem, von welchen Diskriminierungsformen eine Person noch negativ betroffen ist, wird sie dadurch nochmal verstärkt.
Femmes müssen sich also in zwei Richtungen behaupten. In Richtung der heteronormativen Mehrheitsgesellschaft, in der sie sich aufgrund ihrer queeren Identität meist nicht zu Hause fühlen. Und in Richtung Community, die sie übersieht. Es gibt nicht genügend communityinterne Repräsentation von Femmes und zu wenig über ihre Geschichte ist bekannt. Es braucht Femmes, die junge Femmes an die Hand nehmen und sagen: „Hier sind wir, die Queers, komm herein.“
Woran liegt das? Haben Femmes keine Geschichte? Sind sie neu? Oder waren sie immer nur ein Anhängsel der Butches, Mitläufer*innen, die Schuhe anprobiert haben, während andere Straßenschlachten geschlagen und Steine auf Polizeiautos geworfen haben?
Nein, natürlich nicht. Sie waren immer schon Teil queerer Communities und aktiv im Widerstand gegen heteronormative und staatliche Gewalt. Unter ihnen waren Marsha P. Johnson, Sylvia Rivera, Joan Nestle und Amber Hollibaugh. Sie waren immer schon Schwarz, PoC, trans*, dick, behindert, jüdisch, arm, solidarisch, unbequem und laut.
Aber in einer Welt, in der Machtverhältnisse sich auch in marginalisierten Gemeinschaften fortschreiben, zentriert die Geschichtsschreibung die Narrative der weißen, nicht-behinderten, maskulinen Queers.
Wenn in einer akademisierten und angeblich progressiven queeren Bewegung feminin performenden Menschen nicht zugetraut wird, Geschlechternormen zu hinterfragen, ist das besonders bitter, weil die Existenz und das Bashing einer Femme/Butch-Kultur auf die Arbeiter*innenklasse der 1950er-Jahre in den USA zurückgeht. In den feministischen Bewegungen der 1970er/80er entwickelte sich eine lesbisch-feministische Ästhetik, die die Ablehnung von Weiblichkeitsanforderungen mit Androgynität gleichsetzte. Wer da nicht mitmachte, galt als Verräterin. Die Last, dieses Missverständnis aufzuklären, spüren Femmes noch heute auf ihren Schultern, wann immer sie queere Räume betreten.
Es erfordert Mut, Stärke und Beharrlichkeit von Femmes, das eigene Strahlen trotz femmefeindlicher Stimmungen nicht zu dimmen. Femme Culture feiert Verletzlichkeit, Emotionalität, Herzlichkeit und Community Care. Femme Culture bedeutet auch, mit Normen zu brechen und sich gegen Diskriminierung von Polizei und Staat zur Wehr zu setzen. All das sind Werte, die queerfeministische Bewegungen schon immer besonders gemacht haben. Es ist Zeit, das anzuerkennen. In diesem Sinne: Happy Pride!